Welche Potenziale stecken in Twitter?

Der arabische Frühling und die Naturkatastrophen der jüngeren Zeit rücken die neuen Medien in den Fokus der aktuellen Diskussion und hinterfragen die Bedeutung der klassischen Medienkanäle. Ein anderes vieldiskutiertes Thema ist der Umgang mit Nutzerdaten, v. a. Facebook und Google waren Gegenstand der Kritik. Doch welche Potenziale bieten die Nutzerdaten Twitters und wie lässt sich damit Geld verdienen?

Rosaura Ochoa | Flickr.com

Rosaura Ochoa | Flickr.com

In einem Interview von politik-digital mit dem Social Media Experten Dr. Axel Bruns der Queensland University of Technology Brisbane wird die Rolle der neuen Medien im Verlauf von Katastrophenereignissen erörtert. Um Rückschlüsse auf die Nutzung und Funktion von Twitter während Katastrophenereignissen abzuleiten, wertet Bruns u.a. das Aufkommen bestimmter hashtags, während des Überflutungsereignisses in Australien, der Erdbeben in Christchurch in Neuseeland und der Katastrophe in Japan aus.

Die Nutzung von Twitter im Verlauf von Katastrophenereignissen lässt sich demnach in zwei Phasen gliedern. In der ersten Phase nimmt die Plattform eine Funktion komplementär zu den klassischen Massenmedien ein bzw. wird gleichzeitig als Verbreitungskanal der Massenmedien selbst genutzt. Zusätzlich werden durch Augenzeugenberichte, Fotos und Videos Informationen aus erster Hand zugänglich gemacht.

Durch die große Anteilnahme unbeteiligter Twitter-Nutzer ist das Nachrichtenvolumen weitaus größer als in der folgenden  zweiten Phase:  Die Anteilnahme der Weltöffentlichkeit wendet sich neuen Dingen zu und die Nutzung des sozialen Netzwerks konzentriert sich nun in der Hauptsache auf die Betroffenen, indem Twitter zur Kommunikation zwischen Institutionen wie der Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst usf. und dem Bürger beiträgt.

Official U.S. Navy Imagery | Flickr.com

Official U.S. Navy Imagery | Flickr.com

Werden die Katastrophenereignisse in Australien bzw. Neuseeland Japan gegenübergestellt, weisen erstere tatsächlich eine klare Gliederung in zwei Phasen auf, in Japan ist diese duale Struktur weniger deutlich. Das Erdbeben in Christchurch bzw. das Überflutungsereignis in Australien waren in sich abgeschlossene Ereignisse; die Verkettung der einzelnen Katastrophenereignisse Japans zeigen ein komplexeres Bild, das sich auch in der Nutzung der sozialen Netzwerke widerspiegelt.  Werden auf den Tsunami bezogene hashtags seltener,  bleibt die Aufmerksamkeit auf das Reaktorunglück anhaltend.

Vergleicht man die Bedeutung der neuen Medien mit den klassischen Medien zeigt sich, dass den sozialen Netzwerken momentan eine ergänzende Rolle zukommt und als zusätzlicher Kommunikationskanäle genutzt werden. In Japan ist die Zahl der Twitternutzer laut bazonline in der Woche, in der die Katastrophe ihren Anfang fand, auf 7,5 Millionen Nutzer gestiegen, u.a. auch, weil die Telefon-  und Mobilfunknetze überlastet waren.

Auch wird die Selbstorganisation und Eigeninitiative der Bürger unterstützt, da eine größere Anzahl von Personen erreicht wird und organisiert werden kann. So unterstützte das soziale Netzwerk die Menschen dabei, Freunde und Angehörige aufzufinden und sich über die Lage zu informieren. Gleichzeitig wird, im Gegensatz zu den klassischen Medien, eine Kommunikation in zwei Richtungen ermöglicht.
Es muss jedoch bedacht werden, dass die Verbreitung von veralteten Informationen oder Falschinformationen wahrscheinlicher wird. U. a. kam das Gerücht auf, dass infolge eines Brandes in einer Ölraffinerie mit giftigen Regen zu rechnen sei. Die Twitternutzer selbst können, im besten Fall, als Korrektiv wiederum dem entgegen wirken.

Die klassischen Medien sind bei der Informationsverbreitung  aber nach wie vor der dominierende Kanal, da eine weitaus größere Anzahl von Menschen erreicht wird und so Informationen über Evakuierungen oder Warnungen weitergeleitet werden können. V.a. werden auch die sogenannten offliner erreicht, die nicht der Krisen-Community angehören. Dennoch ist mit einer wachsenden Bedeutung von Twitter während Krisenereignissen in Zukunft zu rechnen.

© daveeza | Flickr.com

© daveeza | Flickr.com

So zeigte sich, dass der Umgang mit Twitter, im speziellen mit den hashtags, seitens der Nutzer vertrauter wurde nachdem auf das im Dezember aufgetretenen Erdbeben im Februar ein Zweites folgte. Zu hoffen bleibt, dass in Zukunft die entsprechenden Kenntnisse im Katastrophenfall bereits vorhanden sind.
Sowohl die australische, als auch die neuseeländische Regierung richtete in der Folge der Katastrophen offizielle Twitterkanäle ein, welche auch in Zukunft die Koordinierung der Maßnahmen unterstützen sollen. Hier ergibt sich die Forderung, dass solche Kanäle nicht ad-hoc eingeführt, sondern bereits vorhanden sein sollten um im Krisenfall optimal zu funktionieren.

In eine ganz andere Richtung bei der Auswertung von Twitterdaten ging der Australier Alex Davies laut taz-online. Davies entwickelte einen Algorithmus, der Tweets nach Begriffen durchsucht, welche Freude und Trauer ausdrücken. Die Ergebnisse werden auf einer Karte abgebildet. Dabei stellte sich überraschenderweise heraus, dass die Deutschen – setzt man die ausgewerteten Tweets als Maßstab an – das wohl glücklichste Volk  der Welt seien.

Die beiden vorgestellte Beispiele der Datenauswertung lassen vielleicht erahnen, welche möglichen Potenziale in der sozialen Plattform stecken und lösen die immer wieder gestellte Frage des Geschäftsmodells und der Finanzierung von Twitter. Zeit-online versucht, darauf eine Antwort zu geben. Dem gewöhnlichen Twitter-Nutzer wird, in der Regel, nicht unbedingt bewusst sein, welche Daten das Unternehmen sammelt:

“So wird zu jedem Tweet gespeichert, in welcher Zeitzone und Sprache, zu welchem Zeitpunkt und Ort, mit welcher Software und von welchem Account aus er abgeschickt wurde. Außerdem speichert Twitter, wie viele Follower der Account hat und wie vielen erfolgt. Wenn ein Tweet sich auf einen anderen bezieht, wird auch die ursprüngliche Botschaft gespeichert.”

Im Normalfall stellt Twitter nur begrenzte Möglichkeiten zur Suche und Datenauswertung bereit. Die Suchfunktion ist beispielsweise auf 1500 Einträge beschränkt. Ältere, viel diskutierte Beiträge werden daher nach einiger Zeit nicht mehr aufzufinden sein. Wer Zugang zu diesen Daten haben möchte, muss dafür bezahlen. Wie zeit-online berichtet, gibt es bereits mehrere Firmen, die sich auf die Bereitstellung dieser Daten spezialisiert haben, und verschiedene Angebote für Interessenten bereitstellen. Hierbei stellt sich wiederum die Frage nach dem Umgang mit Nutzerdaten.

“Selbstverständlich ist Veröffentlichung das primäre Ziel des Dienstes. Vielen Nutzern ist aber wohl nicht klar, was die Vernetzung vermag. Aus vielen Einzelinformationen lassen sich völlig neue Erkenntnisse ableiten – im Zweifel auch solche, die mehr über die Nutzer verraten, als ihnen lieb ist. Damit ist auch erklärt, warum der Dienst ebenso wie Google oder Facebook kostenlos ist und bleiben wird: Viele sollen kommen. Umsonst aber ist das nicht. Die Nutzer zahlen mit ihren Daten – und die sind Geld wert.”

 

 

 

 

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